Justament: Frau Kaden, Frau Böckmann, Wie erklären  Sie  sich  die  große  Resonanz  schon im   Vorfeld   auf   unser   „Frauenheft“?   Kommt das Thema “Juristinnen“ in der Öffentlichkeit zu kurz? Dr. Anja Böckmann:  Ja. Ich habe auch nicht den  Eindruck,  dass  es  thematisiert  wird. Die  Frage  ist  nur,  ob  das  sein  muss,  ob Frauen   in   anderen   Berufen   nicht   ganz ähnliche Probleme haben. Dr.  Nina  Kaden: Ich  denke  aber  schon.  In dem  Moment,  in  dem  Rechtsanwältinnen Kinder haben, gibt es Probleme, die in an- deren  Berufen  nicht  vorhanden  sind.  Im Anwaltsberuf   ist   das   noch   nicht   richtig ausgelotet, da sich die Frauen erst in den letzten   zehn   Jahren   häufiger   dazu   ent- schieden haben Anwältin zu werden. Frü- her  waren  Frauen  eher  Richterin,  da  der Anwaltsberuf    eine    ziemlich    hohe    Bela- stung mit sich bringt. Woran   liegt   es,   dass   über   die   Belange   von Anwältinnen  so  wenig  berichtet  wird?  Liegt es vielleicht daran, dass Männer sich mehr in die Öffentlichkeit drängen? A.B.:   Ja. Das kann ich sogar von Gerichts- verhandlungen   bestätigen.   Bei   den   Ver- handlungen steht bei manchen der männ- lichen Kollegen tatsächlich der Showeffekt im   Vordergrund.   Demgegenüber   suchen Frauen eher den Ausgleich. Natürlich gibt es auf beiden Seiten Ausnahmen. Meinen  Sie,  dass  Frauen  harmonischer  sind und deshalb bei Gericht öfter einen Vergleich anstreben?    Sind    Männer    eventuell    streit- süchtiger? A.B.: Nein,  das  glaube  ich  nicht.  Es  sind vielleicht  andere  Wege,  die  eingeschlagen werden. Der eine versucht es übers Impo- niergehabe. Frauen neigen eher defensiver zu werden. Es sei denn, es stehen sich zwei Frauen   gegenüber,   dann   funktioniert   es oft auch nicht. N.K.:   Verhandeln hat auch nichts mit Strei- ten zu tun. Es geht nicht ums eigene Inter- esse,  sondern  um  das  Interesse  des  Man- daten. Und wie sieht es in Ihrer Kanzlei aus? Treten die Männer eher in den Vordergrund? Macht sich der Unterschied bei der Aufgabenvertei- lung bemerkbar? A.B.: In  unserer  Kanzlei  sind  wir  nur  zwei Frauen. Vom Mengenverhältnis ist das also eine klare Sache. Bezüglich der Aufgaben- verteilung: Frau Kaden ist z.B. für die Öf- fentlichkeitsarbeit, Presse und Referendari- at zuständig, also Gebiete, die viel mit dem Auftreten    in    der    Öffentlichkeit    zu    tun haben. Auch bei Vorträgen ist es gleich ver- teilt.  Wenn  das  Fachgebiet  stimmt,  dann hält derjenige den Vortrag, der für das Ge- biet zuständig ist, egal ob Mann oder Frau. N.K.:   Wir haben hier natürlich eine Vertei- lung,   die   das   indizieren   würde,   was   Sie sagen wollen. Aber das liegt einfach daran, dass   wir   beiden   Frauen   einfach   jünger sind.    Der    Unterschied    liegt    einfach    im Alter.   Und   unter   den   jüngeren   Kollegen gibt es keinen Unterschied. Der Beruf des Rechtsanwalts ist nach wie vor männerdominiert. Woran liegt das Ihrer Mei- nung nach? A.B.:   Daran, dass das Thema in Führungs- positionen   noch   nicht   ausdiskutiert   ist. Das  Teilzeit-  und  Befristungsgesetz  führt immer  wieder  zu  riesigen  Konflikten.  Ich glaube auch nicht, dass sich der Anwalts- beruf optimal mit einem Teilzeitjob verein- baren lässt. Man ist immer noch in einem freien    Beruf.    Wenn    ein    Mandant    nur Nachmittags Zeit hat oder der Gerichtster- min  länger  dauert,  ist  14.00  Uhr  illuso- risch. Auch von der Organisation der Kin- derbetreuung ist es in unserer Gesellschaft nicht    möglich    bis    20.00/21.00    Uhr    in einem Team zu arbeiten. Allein die persön- liche Bindung zu den Mandanten ist durch die  Kinderbetreuung  nicht  mehr  voll  ge- währleistet. N.K.: In  großen  Kanzleien,  die  große  Pro- jekte haben ist eine halbe Stelle problem- los integrierbar, da nicht jeder Anwalt eine eigene Mandantschaft haben muss. Es ist möglich  dort  das  Volumen  um  40%  zu- rückzuschrauben,   solange   man   abrufbar, erreichbar ist. Sie sind beide Partnerinnen bei LVHM, ist das nicht    eine    Seltenheit?    Ist    so    eine    Karriere „nur“ in einer mittelständischen Kanzlei möglich?  Liegt  darin  nicht  sogar  der  Vorteil gegenüber einer klassischen Großkanzlei? A.B:   Das überraschende daran ist vielleicht, in welchem Alter wir Partnerinnen gewor- den  sind;  in  dem  sogenannten  gefährde- ten Alter. Daran sieht man dann auch, dass in unserer Kanzlei keine geschlechtsspezi- fischen Unterschiede gemacht werden. N.K.:    Von der Zeit her sind wir im Gegen- satz  zu  einer  Großkanzlei  natürlich  eine Seltenheit. Dort wird man im Schnitt erst nach  sechs  Jahren  Partner.  Die  Hierarchie ist dort einfach anders. Interview 10 justament oktober  2003 Juristinnen unter sich Ein Gespräch mit den Rechtsanwältinnen Dr. Anja Böckmann und Dr. Nina Kaden Die   Zahlen   sprechen   für   sich:   31%   der Staatsanwälte  Deutschlands  sind  Frau- en, bei der Richterschaft sind es lediglich 28% so auch mittlerweile bei den zuge- lassenen Rechtsanwälten. Zwei von ihnen   plaudern   hier   über   Ihre   Karriere, geschlechtsspezifische Unterschiede und ihren Weg zum Erfolg. Dr. Anja Böckmann, Fachanwältin für Arbeitsrecht, war nach Ihrem Studium und ihrer Referendarausbil- dung in München und Berlin zunächst als Rechtsan- wältin bei Schön Nolte Finkelnburg & Clemm tätig. Im Juli 2000 wechselte sie zu der Kanzlei Loh von Hülsen Michael, bei der sie seit 2002 Sozia ist. Zu Ihren Fachgebieten gehören Arbeitsrecht, allgemeines Zivilrecht, Erb- und Familienrecht.