Lieblings-Anwalt der Deutschen

Zum Tod von Manfred Krug: Justament-Autor Oliver Niekiel über die Kult-Serie „Liebling Kreuzberg“

Mein Berufswunsch stand lange vor dem Abitur fest. Ich wollte unbedingt Rechtsanwalt werden. Die Gründe dafür waren zahlreich. Einer davon lief dienstags um 20:15 Uhr „im Ersten“: Liebling Kreuzberg, die für mich immer noch beste Anwaltsserie aller Zeiten. In der Hauptrolle: Manfred Krug als Robert Liebling, Rechtsanwalt und Notar in Berlin. In insgesamt fünf Staffeln, inzwischen alle auf DVD erhältlich, geht es um die verschiedensten rechtlichen und privaten Probleme, die Liebling in der Regel bravurös und unterhaltsam löst. Unterstützt wird er dabei zunächst von Dr. Gieselmund Arnold (Michael Kausch), später von Isolde Isenthal (Jenny Gröllmann) und schließlich von Dr. Bruno Pelzer (Stefan Reck). Auch ein Referendar (Friedrich-Karl Praetorius) steht ihm zeitweise, namentlich in der zweiten Staffel, zur Verfügung.

Neben seinen Fachangestellten Senta (Anja Franke) und Paula (Corinna Genest) spielen seine Tochter Sarah (Roswitha Schreiner) und die häufig wechselnden Freundinnen eine gewisse Rolle im Leben des Anwalts. Beziehungen unterhält er zunächst zu Lilly (Karin Eickelbaum), in der zweiten und dritten Staffel zu Staatsanwältin Rosemarie Monk (Diana Körner), in der vierten Staffel zu Lena Lewandowsky (Isa Jank) sowie in der fünften Staffel zu Lola Kornhaus (Monika Woytowicz) und Miriam Breslauer (Johanna Liebeneiner). In den beiden ersten Staffeln taucht zudem Lieblings Exfrau (Brigitte Grothum) auf.

Robert Liebling isst regelmäßig – ob in der Gerichtskantine oder der Kanzlei – Götterspeise, gibt aber in einer Folge zu, diese eigentlich gar nicht zu mögen. Er raucht Zigarre und gönnt sich hin und wieder einen guten Tropfen, der natürlich in seinem Büro gelagert ist. Markenzeichen sind sein Schlapphut (jedenfalls anfangs) sowie seine bunten Krawatten. Einmal versucht er den Umstieg von der Krawatte auf die Fliege, scheitert aber kläglich. In den drei ersten Staffeln ist Liebling auf einem Motorrad unterwegs, in der vierten und fünften Staffel fährt er Auto – die Marke mit dem Stern. Das Sofa in seinem Büro, das Modellauto auf dem Schreibtisch und das oftmals von ihm gereinigte Kanzleischild („wau wau … was gibt es doch für dumme Menschen“) sind mir ebenso in Erinnerung.

Als Anwalt wirkt Liebling manchmal lustlos, uninteressante Fälle schiebt er gerne ab. Das kann er sich leisten, weil er als Notar Grundstücksverkäufe beurkundet, die aus einem von ihm geerbten und dann verkauften Unternehmen resultieren. Nimmt er sich jedoch eines Falles an, so löst er ihn regelmäßig erfolgreich, wobei es nicht selten zu unerwarteten Wendungen kommt. Hin und wieder geht es zwar um ernstere Themen. Die meisten Folgen lassen jedoch die humorvolle Seite nicht zu kurz kommen.

Unvergessen ist die Szene, in der ein Anwalt Liebling einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und dieser darauf sinngemäß entgegnet, er müsse sich erst setzen und Kraft schöpfen, um nicht vor Lachen zusammenzubrechen. Oder die Situation, in der eine Mandantin eine andere Person wüst beschimpft und Liebling sogleich aufzählt, was jede einzelne Beleidigung kostet. Witzig natürlich auch, dass sich Robert Liebling gleich in der ersten Staffel, dort ist er Geisel eines Supermarkteinbrechers, gegen Rechtsanwalt G. Arnold austauschen lässt, weil er einen Beurkundungstermin wahrnehmen muss.

Folgende – nicht annähernd vollständige – Auswahl verdeutlicht, mit Rechtsproblemen welcher Art sich Robert Liebling und seine Kollegen konfrontiert sehen:

– Einem jungen Türken wird eine schwere Körperverletzung vorgeworfen und Liebling nimmt sich seiner an. Das Problem: Es wird zugleich ein „türkischer Anwalt“ eingeschaltet, der nach eigenen Regeln handelt.
– Zwei Freunde streiten um eine junge Frau aus Thailand. Der eine hatte diese über eine Agentur in Bangkok vermittelt bekommen und nach Deutschland geholt. Allerdings verliebte sich die Thailänderin in den anderen Mann, der nun die Vermittlungsprovision übernehmen soll.
– Der wohlhabende Inhaber eines Antiquitätengeschäftes bezahlt einen Obdach- und Arbeitslosen, damit dieser für ihn eine viermonatige Gefängnisstrafe absitzt. Dieser Obdach- und Arbeitslose möchte nach seiner Entlassung aus der Haft noch mehr Geld sehen.
– Die Ehefrau eines angesehenen Bankchefs geht heimlich einer Nebenbeschäftigung als Prostituierte nach. Dabei kommt es zu einem Zahlungsstreit mit einem Kunden. Der hatte einen Ring in Zahlung gegeben, den die Prostituierte kurzerhand im Pfandhaus versetzte. Nun droht ein Rechtsstreit, weil der Kunde seinen Ring zurückhaben möchte.
– Eine Frau will sich scheiden lassen. Zum gemeinsamen Vermögen, von dem ihr die Hälfte zusteht, gehört jedoch Geld aus einer Steuerhinterziehung.
– Eine junge Frau ist ohne Führerschein gegen einen Baum gefahren. Keiner glaubt ihr, dass der Fahrlehrer vorher versucht hatte, sie zu vergewaltigen.
– Ein Mann hatte einer Frau drei Jahre lang die Ehe versprochen. Es stellt sich nun heraus, dass er bereits verheiratet ist und das viele Geld, das die gute Frau in ihn investiert hat, verloren scheint.
– Liebling erhält einen Anruf aus dem Gefängnis, und zwar per Handy. Ein bereits einschlägig vorbestrafter Untersuchungsgefangener benötigt einen Anwalt. Bei einer Verkehrskontrolle entdeckte die Polizei im Kofferraum seines Wagens neben einem Totschläger viel Bargeld.

Hervorzuheben ist die 1989 vom Deutschen Anwaltverein mit dem DAV-Pressepreis ausgezeichnete Folge „Taschenpfändung“ (erste Folge der zweiten Staffel). Der Italiener Giovanni Lara ist in Deutschland zur Unterhaltszahlungen verurteilt, lebt jedoch im Ausland und zahlt nicht. Zufällig hat er sein Erschienen auf einem Kongress im ICC angekündigt, sodass die Kindsmutter Lisa Grund eine Chance sieht, an das Geld zu kommen. Sie wendet sich an Liebling und Arnold, die im Wege einer Taschenpfändung – am Wochenende – eine wertvolle Armbanduhr und die Schlüssel zu einem Auto pfänden können. Unterstützt werden sie dabei von Gerichtsvollzieher Kalinke (Gerhard Olschewski).

Natürlich überzeugen manche der insgesamt 58 Folgen mehr als andere. Aber keine ist wirklich langweilig, ich habe sie mir mehrfach angesehen – und werde es wieder tun. Zwar ist inzwischen Gewissheit, was ich damals vor dem Abitur schon ahnte, dass nämlich das echte Anwaltsleben nicht dem des Robert Liebling entspricht. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um eine sehenswerte Serie handelt (und es für mich keinen schöneren Beruf als den des Rechtsanwalts gibt). Schade, dass schon nach fünf Staffeln Schluss war. Ein großes Dankeschön an Manfred Krug für diese tolle Rolle!!!!

(Dieser Text ist entnommen: Thomas Claer (Hg.) – Wem gehört der Mond. Texte aus 14 Jahren Justament, Books on Demand 2014)

Veröffentlicht von on Okt 31st, 2016 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

4 Antworten for “Lieblings-Anwalt der Deutschen”

  1. Sommersemester 1994, FU Berlin: Professor Dr. Volker Fadinger, Althistoriker und geschätzter Mentor legte „größten Wert“ darauf, dass das Hauptseminar über die Athenische Demokratie pünktlich endete, damit er daheim seinen „Liebling Kreuzberg“ nicht verpasst….

  2. Thomas Claer sagt:

    Ich hab „Liebling Kreuzberg“ noch in der späten DDR im Westfernsehen geguckt und fand es sehr interessant. Besonders auch, was man dadurch so von West-Berlin mitbekommen hat…

  3. Dr. Matthias Wiemers sagt:

    Ich habe Liebling Kreuzberg in den ersten zwei Staffeln gelegentlich gesehen, als ich noch (im ländlichen Westfalen, mit kleinem Amtsgericht) zur Schule ging. Just im Jahre 1986 hatten wir eine Rechtskunde-AG, und ich kaufte mein erstes BGB. Jetzt aber, nachdem am Freitagabend erst ein Paul-Stöver-Tatort im Ersten wiederholt wurde und danach eine Folge Liebling Kreuzberg, habe ich seither bis zur fünften Folge der zweiten Staffel alle nacheinander im Internet geschaut. Ich werde das Fortsetzen, weil ich ab der dritten Staffel ein sehr unregelmäßiger Fernsehzuschauer geworden bin und die Folgen gar nicht kenne – und weil mich die Veränderung Berlins interessiert, wie sie sich in der Serie widerspiegelt. Denn immerhin war ich – sozusagen in der Nachlieblingzeit – die gesamten Nullerjahre in Berlin. Wie viele Anwälte gibt es heute noch, die so arbeiten, in Berlin (In einer Folge meinte der Anwaltskollege Wolter (gespielt von Peter Schiff), es gebe 2700 Anwälte in West-Berlin. Das war in der zwoten Staffel, gedreht also 87 oder 88…

  4. Oliver Niekiel sagt:

    Zeit, einen Fanclub zu gründen ;-) In meinem Büro schaut Robert Liebling von dem Cover des „MK-Bilderbuches“ auf meinen Schreibtisch, bleibt also der Anwaltschaft auch nach seinem Tod erhalten. Sind eigentlich die Adressen der Drehorte bekannt, an denen sich in den einzelnen Staffeln jeweils die Kanzlei befand?

Hinterlassen Sie einen Kommentar!