Faust ins Gesicht – oder nicht?

Gerichtsgeschichten aus Schwetzingen, Teil 9

Pinar Karacinar

Eigentlich hatte der 26-jährige Angeklagte nur Fußball spielen wollen. Das zumindest erklärte er in der gegen ihn eröffneten Hauptverhandlung wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor dem Schwetzinger Amtsgericht. Dem jungen Familienvater aus Neulussheim wurde vorgeworfen, im Oktober vergangenen Jahres einen Mitspieler aus seinem Fußballverein in Altlussheim mit der Faust ins Gesicht geschlagen und verletzt zu haben. Nicht nur die Umstände, wie es zu der Tat gekommen sei, waren unklar. Bereits die Frage, ob es sich überhaupt um eine Körperverletzung gehandelt habe, stand im Raum.

Unstreitig war am Tatabend eine Krisensitzung des Fußballvereins einberufen worden, in welchem der Angeklagte die Position eines Führungsspielers innehatte. Bei dieser Krisensitzung sei es um die Suspendierung des 26-Jährigen gegangen, weil dieser sich weder auf dem Spielfeld noch seinen Mannschaftskollegen gegenüber korrekt verhalten hätte. Beim Verlassen des Raumes hätte er schließlich einem 27-jährigen Teamkollegen aus dem Spielerausschuss aus Frust über seinen Ausschluss mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Diesen Vorwurf der Anklage, aber auch jenen, sich beim Fußballspielen nicht ordnungsgemäß verhalten zu haben, stritt der Angeklagte vehement ab. Überhaupt schien ihm die Sache trotz der seit dem Vorfall verstrichenen Zeit immer noch sehr ans Herz zu gehen. Immer wieder kämpfte er mit seinen Tränen und räumte ein, dass er immer noch psychisch stark unter den Anschuldigungen leide. Laut den eigenen Schilderungen des Angeklagten habe dieser beim Verlassen des Raumes den Geschädigten lediglich ein wenig mit seiner Zigarettenschachtel angetippt. Als dieser im selben Moment seinen Kopf hob, habe er ihn nur ganz leicht mit der Schachtel an der Nase verletzt. Hingegen gab der Geschädigte im Zeugenstand an, vom Angeklagten mit der Faust attackiert worden zu sein, so dass er sogar im Gesicht geblutet hätte. Die Ausführungen des Geschädigten klangen zunächst glaubhaft, doch die Zeugenaussagen der anderen Mannschaftskollegen brachten eine Wendung in die Verhandlung. Diese bestätigten im Wesentlichen die Ausführungen des Angeklagten. Zwei der Zeugen hätten sogar gesehen, wie der Geschädigte an der kleinen Kratzwunde, die ihm vom Angeklagten zugefügt worden sei, solange herumdrückte, bis sie endlich blutete, um dies schließlich zu fotografieren. Die Vorsitzende Richterin und der Vertreter der Staatsanwaltschaft schauten sich aufgrund der unerwarteten Wendung fragend an. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte: „Es ist wirklich traurig, dass ein ganzes Gericht wegen so einem Fall beschäftigt wird.“ Auch ärgere er sich sehr darüber, dass eine Bagatelle so aufgebauscht worden sei. Schließlich einigten sich alle Beteiligten auf eine Einstellung des Verfahrens gegen den 26-Jährigen. Es blieb jedoch die Frage, ob möglicherweise ein Verfahren gegen den Geschädigten in Gang gesetzt werden sollte.

Veröffentlicht von on Aug 18th, 2014 und gespeichert unter DRUM HERUM, GERICHTSGESCHICHTEN. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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