Elementare Adaptionen

Element Of Crime präsentieren „Fremde Federn“

Thomas Claer

scheiben-tc-eoc-coverNun haben sie es also doch noch getan. Schon vor fast zehn Jahren, gleich nach dem Romantik-Album, wurde die Idee im Forum auf der EOC-Homepage lebhaft diskutiert, mal eine B-Seiten-Compilation rauszubringen. Und jetzt wird unsere Geduld also belohnt. Auf „Fremde Federn“ finden sich nicht weniger als 20 von Element Of Crime gespielte, aber von anderen mehr oder weniger prominenten Musikern geschriebene Songs, die es bislang nur auf – zum Teil längst vergriffenen – Singles oder auf irgendwelchen Samplern oder Soundtracks gab. Und allein für das vortreffliche Wortspiel des Album-Titels hätten sie eigentlich schon alle Punkte in dieser Rubrik verdient. Doch wie so oft im Leben, wenn sich ein großer Wunsch erfüllt, stellt sich zwangsläufig auch eine gewisse Enttäuschung ein. Die Rockversion des “Liedes von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ aus der Dreigroschenoper etwa klingt ohne das laute Geknister auf der Satellite Town-Single, die ich vor langen Jahren einmal erstanden habe und die jetzt bestimmt ein Vermögen wert ist, seltsam unvollständig, irgendwie längst nicht mehr so toll. Beim „Ruf aus der Gruft“, dieses Stück befand sich nur auf der dazugehörigen Maxi-Single, die ich zu meinem Leidwesen bis heute nirgendwo auftreiben konnte, handelt es sich gar nur um eine zweiminütige und ziemlich maue Instrumental-Version. Und das war es bedauerlicherweise auch schon mit den Brecht/Weil-Adaptionen auf diesem Album! Wenn wir noch den „Surabaya-Johnny“ abziehen, der ja schon auf der Live-Platte „Crime pays“ (1990) drauf war, bleiben immer noch vier der insgesamt mindestens sieben von den Elements auf dem Kurt-Weill-Hommage-Festival in Genf im Sommer 1989 aufgeführten Songs, die sie uns vorenthalten.
Aber genug gemeckert. Alles in allem ist diese Zusammenstellung dann nämlich doch der erwartete Hochgenuss. Welche andere Band verstünde es schon, Stücke so unterschiedlichen Temperaments und aus in so diametraler Opposition zueinander stehenden kulturellen Milieus mit solch spielerischer Leichtigkeit ins eigene Klanguniversum zu transformieren? Besonders überzeugt ihre Interpretation betagter deutscher Schlager, die deren mitunter erstaunlicher textlicher Raffinesse auf überraschende Weise neue Geltung verschafft. So lautet die Definition von „Heimat“ im gleichnamigen, ehedem von Freddy Quinn gesungenen, Song: „Wo ich die Liebste fand/ da ist mein Heimatland“. Na, wenn das so ist, wird man am Ende sogar noch gerne heimattreu. Besondere Höhepunkte sind ferner „Leider nur ein Vakuum“ (von Udo Lindenberg), „Zwei Gitarren“ und „Akkordeon“ (jeweils von Alexandra), „You only tell me you love me, when you’re drunk“ (von den Pet Shop Boys), „Blaumeise Yvonne (von Andreas Dorau), „Le Vent Nous Portera“ (von Noir Desir) und „She brings the rain“ (von Can). Das Gesamturteil lautet: gut (14 Punkte).

Element Of Crime
Fremde Federn
Vertigo Be (Universal) 2010
Ca. € 17,-
ASIN: B00425DMO0

PS: Vielleicht ist es ja ein Anfang für die Recherche nach den vier verschollenen Kurt Weill-Coverversionen: Ich besitze eine Bootleg-MC (Musikkassette) von 1989 mit einem Konzert der damals noch völlig unbekannten Element Of Crime in Bremen im „Römer“ (verrufener Punk-Laden im Szeneviertel am Steintor), das mit dem „Lied vom Branntweinhändler“ aus „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagoni“ beginnt. Wenn mir jemand erklärt, wie man das ohne viel Aufwand digitalisieren kann, stelle ich es gerne ins Netz. Hinweise bitte an: justament@lexxion.de

Veröffentlicht von on Nov 29th, 2010 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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